Die Villa Goecke, gelegen in Krefelds schönem Zooviertel, ist ein prachtvoller Bau aus der Epoche des Historismus, fertiggestellt von dem Architekten Theodor Quester für den Krefelder Seidenfabrikanten Rudolf Goecke im Jahr 1889. Das Anwesen ist nicht nur aus architektonischer Sicht beeindruckend, sondern hat sich auch als bedeutsames Zentrum für zeitgenössische Kunst etabliert. Nach einer aufwendigen Restaurierung im Jahr 2002, bei der die ursprünglichen Merkmale und das Flair dieses historischen Gebäudes wieder hergestellt worden waren, befindet sich seit dem Jahr 2004 eine Kunstgalerie im Erdgeschoss.



In den Räumlichkeiten der Galerie finden regelmäßig Kunstausstellungen statt, die sowohl aktuelle zeitgenössische Tendenzen präsentieren, wie auch Künstler aus den 1950er bis 1980er Jahren in Retrospektiven vorstellen und somit ein vielfältiges und spannendes Kunstprogramm bieten. Somit trifft der historische Charme des 19. Jahrhunderts auf die künstlerische Kreativität des 20. und 21. Jahrhunderts – eine faszinierende Kombination, die Besucher immer wieder aufs Neue begeistert. Ausgestellt werden ausnahmslos Künstler, die in enger Verbindung zur Sammlertätigkeit des Eigentümers der Villa, Ralph Kleinsimlinghaus, stehen.



Die Türen zu den Ausstellungsräumen sind für Besucher mittwochs, donnerstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr geöffnet.
Gerhard Hanisch: Die Geschichte der Villa Goecke, Krefeld
Das was ich über Herrn Goecke herausgefunden habe lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen. Sie stammen aus der Ersteinmessung des Hauses, die im Gegensatz zu den Bauakten die Vernichtung im zweiten Weltkrieg überstanden hat. Dort ist verzeichnet: Thiergartenstraße 1, Bauherr Rudolf Goecke, Kaufmann, und Johanna Wilkens, Eheleute. In der Rubrik Wohnort der Gebäudeeigentümer ist Wilmersdorf Tsingtau, China, aufgeführt. Im Kataster ist vermerkt, dass das Wohnhaus mit Hofraum und Hausgarten dort erstmals als Neubau in den Jahren 1895/96 auf dem 1557 m² großen Grundstück eingemessen wurde. Die Einmessung wurde am 27.07.1890 durch einen Herrn Rosenthal vorgenommen. Sie bestätigt damit auch die Datierung im Giebel mit der Jahreszahl 1889.
Ab dem Jahr 1888 ist im Firmenteil des Krefelder Adressbuchs der Seidenwarenhandel Rudolf und August Goecke, Jungfernweg 22, verzeichnet. Inhaber waren die beiden genannten Herren, für die als Adresse Ostwall 273, das ist das letzte Haus auf der westlichen Seite, angegeben ist. Zu jener Zeit war das eine sehr repräsentative Wohnlage. 1889 ist die Firma weiterhin am Jungfernweg 22 angesiedelt. Ferdinand Rudolf Goecke wohnt hier in seiner Villa, und sein Bruder August in Berlin.
Ab dem Jahre 1895 ist die Firma nicht mehr verzeichnet. Acht Jahre nach Fertigstellung erwarb im Jahre 1908 der Fabrikbesitzer Albert Kluge die Villa. Auch die Frage, wer die Villa entworfen und errichtet, hat war lange Zeit unklar. Herr Kleinsimlinghaus hat Baupläne des Hauses, die wir sehen werden. Darauf steht der Name des Architekten und Bauunternehmers Theodor Leonhard Hubert Quester, der am 26. Juni 1843 in Köln geboren wurde. (Adressbuch beide 1871 nicht verzeichnet)
Ab dem Jahr 1872 wohnte er, mit der Berufsbezeichnung Mauermeister im Haus Lindenstraße 17a. Unter der gleichen Anschrift ist auch der Baumeister August Hartel gemeldet. Ab 1874 verzeichnet ihn das Adressbuch im Haus Ostwall 9, das ist das Eckgebäude des Ostwalls zum Bahnhof. Dann, ab 1879, lebte er mit seiner in Krefeld geborenen Frau Stefanie, geb. Florange, im Haus Alexanderplatz 6. Ab diesem Zeitpunkt firmierte er als Architekt und Bauunternehmer. Das Paar hat sechs Kinder, die aber nicht im Zusammenhang mit der Bebauung Krefelds in Erscheinung getreten sind.
Im Nachbarhaus, Alexanderplatz 5 wohnte ab dem gleichen Jahr der am 26.02.1844 in Köln geborene August Hartel. Auch er firmierte als Architekt und Bauunternehmer. Er hat 1871 den preisgekrönten Entwurf für die Friedenskirche in Krefeld gefertigt. Sie wurde in den Jahren 1872-74 in leicht veränderter Ausführung gebaut. Zusammen betrieben sie das Büro Hartel und Quester. So planten und bauten sie gemeinsam 1877 bis 79 die evangelische Christuskirche in Bochum, 1879 -81 die ev. Paulikirche in Mülheim, 1881-84 die evangelische Nathanielkirche in Leipzig, sowie fünf weitere Kirchen, so die evangelische Peterskirche in Leipzig und die katholische Peterskirche in Straßburg. August Hartel baute 1889-1895 das heutige Theater National de Strasbourg sowie zur gleichen Zeit die Universitäts- und Landesbibliothek Straßburg. Aus der Aufzählung erkennen Sie, dass hier Architekten mit großer Reputation gewirkt haben. Ein weiteres Werk der Bauunternehmung Hartel und Quester in Krefeld, neben der Friedenskirche ist der 1876/77 von ihnen als Bauunternehmung errichtete Wasserturm an der Gutenbergstraße. Der Architekt war Bernhard Salbach.
Ihre Bauunternehmung muss sehr profitabel gewesen sein, denn im Jahre 1877 konnten Hartel und Quester von Alexander Königs die gesamte Südseite des nach ihm benannten Alexanderplatzes erwerben. Dort bauten Sie für sich die Häuser 5 und 6. Es spricht vieles dafür, das sie auch einige, wenn nicht alle anderen Häuser an dieser Seite des Platzes errichtet haben. Dies wird vielleicht in der Zukunft geklärt werden können.
1881 verließ Hartel Krefeld und ließ sich in Leipzig nieder. Ab 1889 war er Dombaumeister in Straßburg, wo er am 18.02.1890, 46jährig, einem Krebsleiden erlag. Das Krefelder Adressbuch gibt im Jahre 1888 Theodor Quester, Inhaber der gleichnamigen Firma, Architekt und Bauunternehmer, an. 1889 ist Quester, Theodor, Wwe. Inhaberin des Baugeschäfts Theodor Quester, Alexanderplatz vermerkt. Aus dem Bestattungsverzeichnis habe ich entnommen, dass Theodor Quester am 11.09.1888, nur 45 jährig, beerdigt wurde. Als letzte Adresse ist Alexanderplatz 7 vermerkt, so dass wir davon ausgehen können, dass er auch dieses Haus errichtet hat. (P Reihe 123, Nr. 3, Seite 250 aus 1888) Das bedeutet, das Quester die Fertigstellung der Villa Goecke nicht mehr erlebt hat. Er verstarb, wie ich gerade ausführte, am 11.9.1888, die Datierung am Haus gibt das Jahr 1889 als Fertigstellungsjahr an. Es kann davon ausgegangen werden, dass seine Frau, die die Bauunternehmung noch eine Zeitlang weitergeführt hat, auch die Arbeiten am Haus zu ende geführt hat.
Die Villa ist im Stil der Neorenaissance errichtet worden. Sie ist zweigeschossig mit ausgebautem Mansarddach. Zu den für diese Zeit typischen Elementen gehören die abwechselnd verputzten und steinsichtigen Flächen, die Eckquaderung, sowie die kräftigen und reich profilierten Geschoss- und Traufgesimse. Die Fenster sind im Erdgeschoss segmentbogenförmig, also in Form eines Halbbogens, und schließen mit einem Keilstein, auf dem sich ein Löwenkopf befindet, ab. Im Obergeschoss sind die Fenster mit geraden Fensterstürzen ausgebildet. Auf der Ost- und Nordseite werden jeweils zwei Fenster mit einem Dreiecksgiebel zusammengefasst. Die Verdachungen werden von verzierten Konsolen getragen. Unter den Fenstern sind rechteckige Flächen mit floralen Ornamenten, Girlanden mit Obst, angeordnet. Die Dachtraufe ist reich mit Konsolen und rosetten-ähnlichen Elementen verziert.
Einzelne Bauteile werden durch Vorbauten, und reich gestaltete Zwerchgiebel im Mansarddach, betont. Die Zwerchgiebel sind entweder mit einem dreieckigen oder rundbogigen Giebel versehen. Im mit Schiefer gedeckten Dach dieses Hauses sehen wir Zwerchhäuser, das sind ein- oder mehrgeschossige Aufbauten eines geneigten Daches. Sie haben ein eigenes Dach und einen Giebel, der in der Flucht der Gebäudeaußenwand steht. Dadurch unterscheidet sich das Zwerchhaus von der Gaube, die unabhängig von den Außenwänden auf dem Dach positioniert ist.
Die Neorenaissance hatte ihre größte Wirkung zwischen 1870 und 1885, als ihre Formen im strengen Historismus als vorbildlich galten. Da der Historismus in Mitteleuropa ab den 1860er-Jahren größere Verbreitung erfuhr und es eine seiner ursprünglichen Funktionen war, die Repräsentationsbedürfnisse des in der Gründerzeit reich gewordenen Bürgertums zu befriedigen, wird er umgangssprachlich manchmal auch als Gründerzeitstil beziehungsweise Gründerzeitarchitektur bezeichnet. Das Ende des Historismus beginnt mit dem Jugendstil um 1895, der zwar noch Ornamente, aber ohne historischen Bezug verwendet.
1925 wurde zur Kaiserstraße hin eine Terrasse angebaut. Sie werden das im Raum durch den Wechsel des Parketts und die andere Türrahmung erkennen. In 1999, bevor Herr Kleinsimlinghaus die Villa erwarb, befand sie sich in einem so schlechten Zustand, dass der damalige Eigentümer eine Abbruchgenehmigung erhielt. Dabei wurden zwischenzeitlich eingebaute Wände, um die Villa an viele Parteien zu vermieten, wieder zurückgebaut. Alleine das Mansarddach war an vier verschiedene Parteien, Studenten, vermietet. Genauso verschwanden die abgehängten Decken, die aus Energiespargründen eingebaut waren.
Die Liste der Arbeiten, die Herr Kleinsimmlingaus ausführen ließ, ist rd. 2 Seiten Lang. Daher möchte ich mich auf die Dinge, die sie sehen können beschränken: Auf dem Dach wurde die Eterniteindeckung entfernt, es wurde mit Schiefer in altdeutscher Deckung neu eingedeckt. Es erfolgte eine Teilsanierung des Dachgebälks. Die Einbaufenster wurden entfernt, 5 Dachgauben an der Süd- und Westseite nach den alten Zeichnungen errichtet. Alle Wasser führenden Teile wurden mit Kupfer erneuert. Das Dachziergitter wurde nach den Plänen neu angefertigt. An den Zwerchhäusern war der Stuck stark beschädigt bzw. nicht mehr vorhanden. Er wurde entweder abgeformt und nachgegossen oder aber neu, nach den Plänen geformt. Die Aufsatzobelisken wurden auch neu gefertigt. Diese Arbeiten führte der Bildhauer Adrian Schoormanns, aus Düsseldorf aus. Die Balustrade über dem Eingang ist ebenfalls neu.
Der Stuck an der Außenfassade wurde umfangreich ausgebessert und von altem Anstrich befreit. Die Klinker wurden gesäubert, fehlende ergänzt. Die Fassade erhielt einen denkmalgerechten Anstrich. Alle Fenster wurden nach den vorhandenen Plänen erneuert. Die Eingangstür wurde restauriert, Ziergitter und Gläser restauriert bzw. erneuert. Der Marmorboden im Eingangsbereich des EG wurde restauriert, Fehlstellen ergänzt. Die Heizung wurde erneuert, es wurden spezielle Heizkörper eingebaut, die sich optisch dem Stil des Hauses anpassen. Auf dem flachen Teil des Daches wurde uneinsehbar eine Solaranlage errichtet. Im Inneren ist der Stuck vollständig erhalten. Er hat entweder Rosetten oder aber Rhomben in der Raummitte.
Der Parkettboden ist im Erdgeschoß fast vollständig erhalten und besticht durch ein Mäanderband aus dunklem Ebenholz. Ich möchte auch auf die qualitätvolle Innenausstattung, wie die Türen und die Treppenanlage aufmerksam machen.
Neben den Kunstwerken im Haus möchte ich auf die „fünf Köpfe“ eine Installation, die die Künstlerin Ariane von Mauerstetten für dieses Haus gefertigt hat, hinweisen. Die Köpfe, die Sie hier sehen, sind aus Bronze gegossen und in einem speziellen Verfahren behandelt, dass sie weiss erscheinen.